Ich und das Kochen

Oder wie ich Feuer gefangen habe.

Als kleiner Junge eher verhaltener, aber trotzdem bekennender Fleischmaudi, lernte ich später schnell die Vorzüge des von meinem Vater viel umschwärmten Fetts kennen. Schon damals musste das Fleisch, wenn auch in einer sterilen Form wie Kalbsbratwurst oder Cervelat, gebraten, noch besser, gegrillt serviert werden, damit es mir am besten schmeckte. Von Röstbitterstoffen, Kochprozessen, Aminosäuren, Proteinen oder gar von der wunderbaren Maillard-Reaktion hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört.

 

Erst später, als ich in einer Wohngemeinschaft die ersten Gehversuche mit eigenen Bratpfannen und Grillgeräten gemacht hatte, entdeckte ich die Wunderwelt des Kochens. Und für einen Tüftler wie mich eröffnete sich eine unglaublich vielfältige Welt mit schier unbegrenzten Möglichkeiten zum Experimentieren. Dabei ist viel Gutes entstanden, wie auch einiges, welches nicht mal dem Müllschlucker würdig gewesen wäre. Glücklicherweise war Letzteres durch die ausgezeichnete Grundausbildung meiner Eltern eher selten, aber halt nicht unvermeidlich.

 

Obwohl Alkohol und Kochen oft in einem Satz genannt werden, ist des ersten zu viel, dem zweiten eher abträglich. So kam es, in eben dieser Wohngemeinschaft, dass wir nach einer durchzechten Nacht einen kleinen Hunger verspürten. Mangels Sonnenblumen-Öl zum Anbraten des (mir heute nicht mehr bekannten) Bratguts, zur Flasche mit dem chilidurchsetzten Pizzaöl gegriffen und die liebste Stahl-Bratpfanne auf Kernschmelztemperatur gebracht. Was nun folgt, kann mit ein wenig Vorstellungskraft möglicherweise leicht unterhaltsam sein.

 

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Symbolbild

 

Stellen sie sich eine offene Küche vor, welche in andere Wohnräume mündet. Was passiert beim sehr heissen Anbraten? Richtig, Küche und angrenzende, nicht von der Küche getrennte Räume werden eingenebelt. Mit scharfem Pizzaölnebel – sehr sehr scharfem Pizzaölnebel. Die Übung Essen wurde kurzfristig durch nach Augenduschen schreiende Mitbewohner abgebrochen. Der Koch hatte dazu gelernt – nämlich, wie man Pfefferspray herstellt.

 

In nüchternen Momenten wurden aber auch ganz andere Resultate erzielt. So gibt es eine grosse Liebe zu Rahmgeschnätzeltem aller Art. Züri-Gschnätzlets, Poulet-Gschnätzlets und andere Abarten von Geschnätzeltem – Hauptsache mit einem Gutsch Rahm verfeinert und am allerbesten mit Nüdeli serviert. Ich habe gehört, solche Gerichte hätte ich mittlerweile ganz gut im Griff.

 

Irgendwann wollte ich mehr – mehr wissen, kosten, ausprobieren und verstehen. Vor allem im Bereich der Zubereitung von Fleisch mit Hilfe von Feuer. Wenn man zu verstehen beginnt, welche Prozesse im Fleisch ablaufen wenn es Hitze ausgesetzt wird – sei es nun lang oder kurz, heiss oder weniger heiss, dann versteht man auch, dass (fast) jedes Stück in eine Köstlichkeit verwandelt werden kann. So auch für uns als Suppenfleisch bekannte Stücke wie Rinderbrust. Die Amerikaner bevorzugen für diese Schnitte Feuer und Rauch, wobei bei sehr niedriger Temperatur. Jedoch nicht irgendein beliebiger Rauch – sondern meist Rauch von ausgewählten Hölzern. So erlebt auf einer USA-Reise im Jahr 2012. Mein erster Kontakt mit Amerikanischem Barbecue. Sicherlich nicht jedermanns Sache – vor allem in unseren Breitengraden, aber für mich eine Erleuchtung.

 

Viele Kochprozesse sind mit den meist gleichen Gerätschaften und Hilfsmitteln durchführbar. Nicht so beim Amerikanischen Barbecue, denn hier sind spezielle Kochgeräte vonnöten, welche meist auch nur dieses Einsatzgebiet abdecken. Dies kann natürlich auch ein Grund sein, wieso man sich in unseren Breitengraden nicht unbedingt dafür interessiert. So habe ich zum Beispiel in noch keinem sogenannten Schweizer Barbecue-Haus oder Western-Restaurant authentische Amerikanische Spare-Ribs essen können. Kurzum ich musste dies selbst in die Hand nehmen. Als gelernter Polymechaniker und Tüftler – frei nach dem Motto: Dem Ingeniör ist nichts zu schwör – habe ich mir meinen eigenen Smoker gebaut.

 

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Bild: Der erste Eigenbau-Smoker

 

Nach den ersten paar Gehversuchen wurden dann auch schon bald brauchbare Resultate erzielt. Auch hier gilt – Übung macht den Meister. Nach weiteren zwei Jahren des Übens und mehrerer Generationen Grills und Smoker, stand unser Grillteam bei der Profi-Schweizermeisterschaft 2014 auf dem zweiten Platz bei den Spare-Ribs.

 

Für mich stand die Technik schon immer im Zusammenhang mit dem Kochen. Technik ermöglicht eine hohe Präzision und Reproduzierbarkeit bei Kochprozessen. Hier entstand ein andauernder Reibungspunkt mit meinem Vater. In dieser Hinsicht ist er der Gefühlskoch – und eines muss man Ihm lassen – er hat sein Handwerk im Griff. Seit ich denken kann steht der 24. Dezember fest in Verbindung mit meines Vaters Weihnachtstruthahn. So auch im Jahre 2013. Ich hatte natürlich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und meinem Vater eine kleine Challenge auferlegt. Ich wollte wissen, wie nah er mit der Zeit-Schätzmethode an die Lehrbuch-Kerntemperatur von 82°C für Truthahn herankommen würde. Als der Zeitpunkt gekommen war, wo mein Vater der Meinung war, der Truthahn sei fertig, habe ich den digitalen Kerntemperatursensor gezückt und mit einer gewissen Belustigung die truthahnsche Brust angestochen. 82° Celsius!

 

Dies sah ich natürlich als einen weiteren Ansporn, meine Fähigkeiten zu verbessern. Ich musste aber auch, durch meinen zunehmenden Kontakt zu professionellen Köchen und in die Gastronomie, erkennen, dass eine Kochlehre durch nichts – aber auch gar nichts zu ersetzen ist. Ich zolle jedem, der diesem Job sein Leben widmet, den allergrössten Respekt. Kombiniert man so einen knallharten Menschen mit der Leidenschaft eines begeisterten Essers, entstehen wahre Künstler. Ich werde diesen Status niemals erreichen können, aber weiterhin daran arbeiten, interessante und erkenntnisreiche Blogposts über meine Erfahrungen mit der Welt der Gastronomie zu schreiben.